Rechts- und volkskundliche Denkmäler aus dem Neuwieder Becken
Von Josef Röder

Projektstudie Keltendorf Wingarden
Vorzeitforschung, Heimaterkundung, Megalithzeit, Sagen, Legenden, Geschichten, Rheinische Mythologie












VI. Ruhesteine vor den Häusern















Im Anschluß an die Rasten muß noch einer anderen Erscheinung gedacht werden, der Sitzgelegenheiten, die vor manchen Häusern an der Straße, aber auch nach dem Hof zu erstellt werden. Selten oder nur bei städtisch angehauchten Leuten, findet man zu diesem Zweck richtige Bänke. Meist genügt ein Baumstamm - gelegentlich eine alte ausgediente Feldwalze -, ein großer Holzklotz, würfelförmige Steine (Abb. 19, Obermendig) oder auch Basaltsäulen.















Abb. 19













Hier sitzen im Sommer nach Feierabend oder an Sonntagen die älteren Familienmitglieder, oder die Alten der Nachbarschaft finden sich hier zur Unterhaltung ein, wobei jeder seinen festen Platz hat. Wenn man etwa fragt, wozu diese Baumstämme oder Steine usw. dienten, so wird man die erstaunte Antwort hören: "zum Sitzen!" Aber darin liegt mehr, als der gewöhnliche Sprachgebrauch meint. Jeder hat oder hatte (denn auch diese Sitte ist in voller Auflösung begriffen) seinen Stammplatz, den nach seinem Tode sein Sohn einnahm. Es war dies mehr eine selbstverständliche Übung als ein strenger Brauch. Und doch treten auch hier tiefere Beweggründe zutage. Man glaubt, daß ein Verstorbener aus dem Kreis sich immer noch in der gewohnten Runde einfindet. Vor allem der Hausbesitzer sitzt auch weiterhin dort, sieht dem Arbeiten im Hof zu und hilft durch seine Anwesenheit, ganz so, wie man an die Anwesenheit des Toten auf den Rasten glaubt. Der Sohn nimmt die Stelle des Vaters ein und "setzt" ihn fort. Dem Sinn der Sitte liegt diese Anschauung zugrunde, wenn sie auch nur bei alten Leuten noch einigermaßen lebendig ist. Eine solche Tradition und ein solcher Sinn des Sitzens ist eben nur bei Leuten selbstverständlich, die generationenweise auf dem Hof und in einer Gegend als "Alteingesessene" auf einem Fleck "sitzen". Die Sitte wird wohl noch weiterhin geübt, aber es ist, und dies gilt für die ganze volkskundliche Feldforschung, in unserem Gebiet schon ein Glücksfall, wenn man hin und wieder einmal einen Alten trifft, der über die alte Zeit Aufschluß zu geben vermag, bevor im Gefolge der Industrialisierung von Neuwieder Becken und Pellenz und der wirtschaftlichen Prosperität im Maifeld alle alten Sitten, Gebräuche und Anschauungen und Gemeinschaftsformen sich aufzulösen begannen, denen wir heute mehr in ihren allerdings auch stark dezimierten Denkmälern als im lebendigen Zusammenhang nachgeben können.























Anmerkungen - S. 189













Zurück zu: Rechts- und volkskundliche Denkmäler aus dem Neuwieder Becken - Von Josef Röder, Rheinische Vierteljahresblätter 1948, Heft 13













Zum Scanwork - Juli/August 2004 Wisoveg.de, Wingarden.de















© Copyright