Der Goloring

Ein eisenzeitliches Heiligtum vom Henge-Charakter im Koberner Wald (Landreis Koblenz).
Von Josef Röder, Bonner Jahrbücher 1948, S 81 - 132












Ursprung und Bedeutung

















Jede Rundform ist aber in aktiver Rundbewegung gezogen 1. Auch diese findet ihr großes Vorbild am Himmel, vor allem im Laufe der Sonne. in geringerem Maße aber mit gleichsinniger Bewegung auch in der des Sternenhimmels. Und so wie die Sonne bewegt sich auch der Mensch im sakralen Umgang noch heute im Rundtanz im volkskundlichen Bereich, und der sakrale Turnus ist in den mannigfaltigen Prozessionen und Umgängen sowohl in den Hochreligionen wie auch bei den Naturvölkern und in den primitiven Kulten als wichtiges Kultmittel noch voll im Schwang. Wohl in der überwiegenden Mehrzahl beginnen diese sakralen Umgänge im Osten und bewegen sich von links nach rechts über Süden, Westen, Norden im Sinne des Sonnenlaufes, wobei noch oft das Schwingen von Fackeln oder das Tragen von Lampen und Lichtern oder auch die Bezeichnung des Umganges selber (Sunwise im Schottischen) den solaren Charakter eindeutig unterstreicht. Schwieriger zu erklären sind Umläufe im sonnenwidrigen Sinne, wie sie vor allem im Totenkult oder als Ausdruck schwarzer (unerlaubter) Magie begegnen. Sie sind vielfach reine Umkehrbräuche, weil sie dem Bereich des Toten oder des Verbotenen angehören, und beweisen somit nichts gegen die vorgebrachte Ansicht als solar bestimmte Handlungen (eine andere Erklärung soll unten besprochen werden). Solche Umgänge stellen nun gleichzeitig die Bindung an einen bedeutungsvollen Mittelpunkt und andererseits wieder die Abgrenzung zur Außenwelt hin dar, wie ja das Ziehen einer festen Umhegung wieder nur wie eine angewandte und dauerhaft gemachte Umwandlung erscheint.

So wird der eingehegte Bezirk zum Weltbild, zu einem verkleinerten Abbild innerhalb der großen Welt, zu einer Bühne für religiöse Handlungen. Durch Auf- und Untergang, Mittag und Mitternacht ist die Sonnenbahn und damit der Horizontkreis und das Welten rund in vier markante Punkte untergeteilt. Und so nimmt es nicht wunder, wenn diese Vierteilung auch auf die Hegung selbst übergreift. Wall und Graben von Avebury haben vier Unterbrechungen nach den vier Himmelsrichtungen hin. Andere Beispiele folgen unten. In die gleiche Richtung schlägt es, wenn Stonehenge zum Sommersolstitium hin ausgerichtet erscheint.

Diese Vierteilung des Raumes und die Umgangsriten (besonders die im sonnenwidrigen Sinn) hat man nun auch als Ausfluß wenigstens ursprünglich lunarer Symbolik deuten wollen, der erst später weitgehend eine solare Deutung unterlegt wurde. 2 Der Mond durchläuft in nicht ganz 27 Tagen 7 ¾ Stunden den gesamten Tierkreis von Westen nach Osten und bietet dabei das eindrucksvolle Bild seines Phasenwechsels, das (wenn auch mit Schwierigkeiten) gleichfalls zum Ausgangspunkt der Vierteilung des Raumes genommen werden könnte. Doch ist der Mond, anders als die Sonne im (Im Tageslauf), weniger ein Messer des Raumes als vielmehr der Zeit (Monat! Mondjahr!) Die solaren Beziehungen zu den Umgangsriten und der Vierteilung des Raumes sind so zahlreich über weite Teile der Erde hin belegt, daß wir sie getrost als ursprünglich ansehen können 3.

Meistens wird die Umhegung eines solchen Festplatzes in wenig dauerhaftem Material ausgeführt worden sein, wie Volks- und völkerkundliche Beispiele zur Genüge lehren: Taue, Bänder, Blumengirlanden, Holzzäune, Hecken, ausgestochene Rasenstücke, einfaches Ziehen eines Kreises in die Erde, durch im Kreis gepflanzte Bäume oder Freihauen eines runden Platzes im Wald. Von all solchen Herrichtungen wird nichts übrigbleiben, was der Spaten wieder entdecken könnte. Und neben dem Gedanken der Hegung und seiner weltanschaulichen Fundierung, neben dem Weiterbestehen kultischer Forderungen mögen gerade solche wenig dauerhaften Hegungsformen auch von der baulichen Seite her die Tradition dieser Denkmäler bewahrt haben. Über lange Zeit hin erhalten bleiben uns aber nur die Heiligtümer, die in dauerhaftem Material ausgeführt waren, in einer Bautechnik, die sich vielfach aus anderen Bautraditionen herleitete. So sind unsere Henge-Denkmäler wahrscheinlich vom neolithischen Festungsbau her beeinflußt (siehe unten), in dem der Gedanke der Hegung notgedrungen in dauerhafteren Formen sich manifestierte, und das gleiche gilt wohl für die Denkmäler der Mound-Kultur. Neben dem Festungsbau mag der Grabhügelbau, bei dem der Gedanke der Hegung und Weltbild hafte Vorstellungen ja eine erhebliche Rolle spielen, bei der Entstehung der Henge-Denkmäler mitbeteiligt gewesen sein. Diese :Frage soll uns unten noch beschäftigen. Auch der Menhirkreis als Umhegung eines Festplatzes. hat dem Hegungsgedanken aus der megalithischen Denkmalstradition und dem ihr innewohnenden Verewigungsstreben heraus dauerhafte Formen verliehen. Der Menhirkreis ist eines der wichtigsten Elemente der englischen Henges geworden. Und so wird uns in Vorgeschichte und Geschichte die uralte Tradition der Rundplätze immer erst dann, wieder greifbar, wenn Sie im dauerhaften Material, das aus anderen Bautraditionen stammt, ausgeführt oder überhaupt als wesentliches Element in verwandte Bauvorhaben übernommen werden. Im Plattenring von Mykene ist durch die Ausführung in Stein plötzlich ein Zeuge für das Bestehen von Riten und Vorstellungen weltweiten Charakters im Totenkult der Mykenischen Kultur entstanden. Und ein Ähnliches gilt für das erwähnte Ustrinum Augusti. In beiden Fällen haben wohl entsprechende Hegungsformen der Grabhügel und Grabplätze Ihren Einfluß geltend gemacht.

Eine großartige Entwicklung nahm die alte vorgeschichtliche Tradition unbedeckter Rundplätze und Bauten für Umwandlungsriten (verbunden mit einer Weiterentwicklung des Grabhügels) in den buddhistischen Stupen von Sancei bis zum Barabudur 4, da die sakrale Umwandlung zu einem der Hauptkultmittel des Buddhismus geworden ist













  1. Zum sakralen Umgang und Hegung vgl. u. a. : E. F. Knuchel, Die Umwandlung (1919); L. Frobenius, Vom Kulturreich des Festlandes (1923) 87 ff.; Goblet d'Alvila in Hastings, Encycl. of Religions and Ethics III (1910) 657 ff.; Müller-Bergtröm, Hdwbch. d. dtsch Aberglaubens III (1930/31) 1629 ff. unter Hegung; Sraberger-Schusser, ebda, V (1932/33) 462 ff. unter Kreis: C. Koch, Frankf. Studien zur Religion und Kultur der Antike III (1937) 23 ff.; G. Haseloff, Offa 3, 1938. 74 f.; A. Szábò, Arch. f. Religionswiss.36, 1939, 135 ff.

  2. Dazu vgl. Fr. Röck, Anthropos 25, 1930, 250 ff.

  3. Daß die Sonne im Laufe eines Jahres gleichfalls an allen Sternbildern, die der Mond im Laufe eines Monats durchläuft, vorübergeht und so gleichfalls zum Zeitmesser wird, braucht uns hier nicht zu interessieren, da nur für eine entwickeltere Kalenderkunde wichtig.

  4. Vgl. die schematischen (in Einzelheiten oft fehlerhaften) Zusammenstellungen bei G. Combaz. L'Evolution du Stupa en Asie, Contr. Nouv. (1935) Abb. 8, 9, 10.













Zu: Der 'Große Himmelsaltar' in Peking - S. 105
















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