Wirf deinen Schatten Sonne

Essay zur Zeitmessung an Karmelenberg und Goloring
Dr. Wolfgang Zäck, Mayen, 1992
















Una ex his erit tibi ultima.
Eine von diesen wird dir die letzte sein.
... Sonnenuhrspruch













Vom Ende der Sonnenuhr













Mitte des 19. Jahrhunderts war die Kapelle in einem desolaten Zustand. Der Putz bröckelte ab, und Domvikar A.J.I. Liehs aus Trier klagte 1861 mit eindringlichen Worten: 1

Der Karmelenberg machte daher auf den frommen Besucher einen traurigen Eindruck, und von Wehmut ergriffen rief er aus: O heiliges Gotteshaus, du warst einst das Ziel andächtiger Pilgerschaaren! Nun stehst du verlassen und verödet, und er klagt mit dem Propheten (Jerem. Klage 1. Kap. 1 V. 4) „die Wege nach Sion trauern, weil niemand zum Feste kommt.“

Die Sonnenuhr war verblaßt. Ihre Restaurierung hatte keinen Sinn mehr. Es war, als hätte sie ihre Seele ausgehaucht, bereits damals an jenem Neujahrsmorgen 1826, als die Zeit der Eremiten auf so entsetzliche Weise zu Ende ging.

Auf dem Karmelenberg wohnte seit 9 Jahren Bruder Nicolaus Hoelzer. Nachdem dieser in Bassenheim die Frühmesse besucht hatte, machte er sich auf den Heimweg, obwohl starkes Schneegestöber den Anbruch des lichten Tages zusätzlich verzögerte. Währenddessen wird die Eremitage gewaltsam aufgebrochen. Das Bassenheimer Kirchenbuch (Bistumsarchiv Trier) berichtet, der 74 Jahre alte Eremit habe bei seiner Rückkehr die Klause offen vorgefunden (quo aperto invenit), Fenster- und Türgitter waren erbrochen (Canellis effractis) und auf der Flucht sei er dann von den Einbrechern ergriffen und erschlagen worden (pluribus vulneribus trucidatus est).

Als Tatort wird eine Stelle am Fuße des Karmelenberges bezeichnet, die nach dem Sackenheimer Hof hin liegt. Seine vom Schnee bedeckte Leiche wurde einen Tag später von Sternsingern gefunden, das Mordwerkzeug, eine eiserne Pflugsohle, zu seinen Füßen liegend.



Der Mord ist offiziell niemals aufgeklärt worden. Wahrscheinlich kannte Bruder Nicolaus die Einbrecher und ertappte sie auf frischer Tat, denn sonst wäre ein Mord nur schwer verständlich. Auch Simons vermutet (Seite 18), „daß ein Elender den armen Bruder Nicolaus meuchelerischer Weise ermordete, um ihm ungehindert und ohne Verrath befürchten zu müssen, seine vermeintlichen Schätze rauben zu können“.

Worin bestanden „seine vermeintlichen Schätze“? - Die sprichwörtliche Armut des Eremiten war allgemein bekannt, und am nächsten Morgen fehlte nichts, als sein weniges terminiertes Haushaltungsgeld. Seine übrige Barschaft, bestehend aus ca. 1000 Florin, war unangetastet.

Wenn ich über die Motive des Freveltäters nachdenke, so kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß es ganz einfach der Reiz der verschlossenen Tür und des verbotenen Ortes war; nach dem Statut war es nämlich den Brüdern bei Strafe der Exkommunikation und geistlichen Acht untersagt, Weltlichen Einlaß in ihrer Eremitage zu gewähren.


Abbildung: Die Marienkapelle auf dem Karmelenberg, heutiger Zustand












Es kommt, wie ich meine, noch ein bemerkenswerter Gesichtspunkt hinzu, der das Datum des Einbruchs betrifft. Seit alter Zeit erzählte man sich unten in den Dörfern von Gespenstern und geheimen Umtrieben auf dem Karmelenberg. Hexen tanzten dort, wo das Kirchlein stand, in der Walpurgisnacht und zum Zeitpunkt der Tat. Es ist die Nacht des Papstes Silvester, den man einst des Teufelsbündnisses beschuldigte, die Nacht, die Schätze frei und umgehenden Toten Erlösungsmöglichkeit gibt. Wuotes Heer zieht. Geister und versunkene Glocken erwachen. Reinigungs- und Fruchtbarkeitszauber werden geübt, Wünschelruten geschnitten, Kugeln gegossen.

Tatortskizze 1830
(aus: K. Schäfer: Die Marienkapelle ... 1985; a.a.O.)



Kann es nicht sein, daß der Täter, von welchen fiktiven Vorstellungen auch immer gequält, einem uralten Geheimnis auf die Spur kommen wollte?













Quellenangaben:








  1. Eine ausführliche Geschichte und Literatursammlung zur Kamelenberger Kapelle liefert der von Klaus Schäfer herausgegebene Pellenz-Museum-Katalog Nr. 2: „Die Marienkapelle auf dem Karmelenberg“. Nickenich 1985. Hier besonders der Beitrag von Dirk Hamann, dem ich einige Anregungen und Zitate verdanke.























Essay zur Zeitmessung an Karmelenberg und Goloring
Dr. Wolfgang Zäck, Mayen

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Weitere Veröffentlichung zum Thema:
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Scanwork Oktober 2004












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