Rechts- und volkskundliche Denkmäler aus dem Neuwieder Becken
Von Josef Röder

Projektstudie Keltendorf Wingarden
Vorzeitforschung, Heimaterkundung, Megalithzeit, Sagen, Legenden, Geschichten, Rheinische Mythologie












1. Außerrheinische Parallelfälle















Die hier aufgeführten Beispiele einer Verbindung zwischen Grabhügel und mittelalterlicher Gerichts- oder Richtstätte sind für das Rheinland die ersten überhaupt, aber sie sind nicht die einzigen. Herr Prof. W. Dehn-Marbug teilte mir mündlich das Zusammenfallen von vorgeschichtlichen Grabhügeln mit Galgenplätzen im Trierer Gebiet mit, desgleichen machte mich Herr Prof. H. Neu-Bonn darauf aufmerksam, daß im Hunsrück in einer ganzen Reihe von Fällen im Mittelalter auf vorgeschichtlichen Grabhügeln Gericht gehalten wurde. Nähere Untersuchungen fehlen zur Zeit noch.

Aber auch sonst können wir in West- und Süddeutschland derartige Zusammenhänge fassen. 58 Als bedeutendste Denkmäler dieser Art aus Süddeutschland seien hier der Birtinlé bei Rottenburg und der Gunzenlé bei Augsburg erwähnt, hallstattzeitliche Grabhügel, die als Dingstätten und Gerichtsplätze im Mittelalter eine wichtige Rolle spielten. 59 Bei Kessenich in der Landschaft Limburg werden römische „substructries en graven“ als Galgenring bezeichnet. 60

Ungleich zahlreicher sind Beispiele von Grabhügeln mit nachweisbarer Beziehung zur Rechtspflege aus Norddeutschland und den nordischen Ländern. Auf die bei J. Grimm zusammengestellten Beispiele von Gerichten auf 'Bergen und Hügeln sei hier nur ganz allgemein hingewiesen, da im einzelnen nicht zu entscheiden ist, ob es sich um vorgeschichtliche Grabhügel handelt.

Ein Grabhügel als dörflicher Dingplatz liegt in Evessen bei Wolfenbüttel, 61 ein vorgeschichtlicher Grabhügel ist vermutlich auch ein Gerichtshügel bei Eisldorf (Harz). 62 Vorgeschichtliche Grabhügel als Galgenberge haben Waller, Linke 63 und Haseloff 64 für die Unterelbe, Unterweser und Schleswig-Holstein zusammengestellt. Zahlreiche Beispiele für Gerichtsstätten bei Grabhügeln hat C. Neergaard aus Dänemark zusammengetragen. 65

Für die Beurteilung der Verhältnisse in den skandinavischen Ländern sind die Hinweise von K. Lehmann 66 immer noch von großer Wichtigkeit. Königsgrabstätte und Dingstätte fielen häufig zusammen: Schon der einfache Nordmann liebte es, auf dem Grabhügel der Vorfahren zu sitzen, die auf den Stammesgütern der Odalsbauern lagen. Geheime Bünde verknüpften den Lebenden mit den dahingegangenen Voreltern. Die Grabhügel mußten eine nicht geringe Bedeutung haben für die Beratung der Geschlechter, ja der ganzen Volksüberlieferung. 67 Auf seinem Grabhügel sitzt auch der Tote. Noch in Tegnér's Fritjofsaga heißt es:














„... Zwei Hügel macht uns beiden, erwählt die Stell',
Auf jeder Seit der Meerbucht an blauer Well';
.....
Umsäumt der Mond die Berge mit bleichem Schein
Und netzt der Tau der Mitternacht den Bautastein,
Dann sitzen wir, o Thorsten, auf beiden Seiten
Und reden übers Wasser vom Lauf der Zeiten ...“














Der Lebende sitzt, wenn er den Platz auf dem Hügel einnimmt, an der Stelle des Toten, nimmt seine Stelle ein. Der Tote ist auf dem Grabhügel anwesend, an oder in den Grabzeichen, dem Pfahl, dem Menhir, den Bautastein. 68

H. Meyer 69 hat die nicht unwidersprochenen rechtshistorischen Folgerungen aus diesen Verhältnissen weiter ausgebaut. Die anfängliche Stätte des Gerichtes ist nach ihm das Ahnengrab gewesen, das auf dem Stammgut der Edelfreien lag. Der Grabhügel auf dem Herrenhofe war Kult- und Gerichtsplatz zugleich. An dem Ahnenpfahl auf dem Hügel wurden in Gegenwart der Toten Ehen geschlossen, Urteile gefällt und vollzogen. Die Gerichtsstätte am Ahnengrab diente zunächst nur der Sippengerichtsbarkeit, an ihr wurde auch das öffentliche Gericht für die Dorfschaft oder noch ausgedehnter Bezirke gehalten.

Besonders waren es natürlich die Grabhügel der Könige, die als Ding- und Gerichtsstätten für das ganze Königreich in Frage kamen. Hier saß der König als lebender Vertreter der Macht des toten Ahnen: Bedeutende Denkmäler dieser Art sind die Jellingehügel in Jütland. 70 Es handelt sich um zwei gewaltige Grabhügel, zwischen denen ein Runenstein und eine Kirche in einem früher von Steinblöcken eingehegten Bezirk steht, der die wichtigsten Staatsakte der dänischen Dynastie Jorms des Alten seit 920 n. Chr. sah. Noch bedeutungsvoller sind die bereits erwähnten drei Königshügel von Gamla Uppsala, die in einem großen Grabhügelfeld liegen, das Machtsymbol der Ynglinger-Dynastie, der Begründerin des Schwedenreiches. Hier wurden wahrscheinlich die neuen Könige in ihrer Würde eingesetzt. Hier war das Ding von ganz Schweden. 1520 und 1530 hielten Gustav Vasa und im Jahre 1834 Karl XIV. Hier noch große Reichsversammlungen ab. 71













2. Beispiele aus Norddeutschland - S. 172













Zum Scanwork - Juli/August 2004 Wisoveg.de, Wingarden.de















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